Stabilisierung

Nach 1923 trat die Weimarer Republik in eine stabilere Phase ein, auch wenn diese nur auf tönernen Füßen stand. Mitverantwortlich hierfür war der am 16. August 1924 in Kraft getretene Dawes-Plan, der die jährlichen Reparationszahlungen Deutschlands regelte und dabei auch die Wirtschaftskraft des jungen Staates beachtete. Ausserdem brachte er einen starken Zulauf amerikanischer Kredite, was der Wirtschaft zu einem Aufschwung verhalf.
Die Hauptlast dieses Aufschwungs musste die Arbeiterschaft und der Mittelstand tragen, schließlich wurden viele soziale Erfolge, wie der Achtstundentag, wieder aufgegeben und massive Gehaltskürzungen bei den Staatsbediensteten durchgeführt. Auch für die aus der Inflation entstandenen Verluste bekamen die zahlreichen Sparer keinen wirklichen Ausgleich, wenngleich es ab 1924 eine staatliche Sozialfürsorge für komplett Verarmte gab.

 
Spätestens mitte der 1920er Jahre bildete sich langsam eine durch neue Medien wie Rundfunk, Film und Schallplatte getragene freizeit- und konsumorientierte Kultur. Dies führte u.a. dazu, dass die starke Klassenkultur der Kaiserzeit mehr und mehr aufgelockert wurde. Die konservativen Kräfte sahen darin jedoch einen Werteverfall mit geistiger Verflachung.
Heute wird der Zeitabschnitt zwischen 1924 und 1929 oft als Goldene Zwanziger bezeichnet, da eine Blüte der deutschen Kultur, Wissenschaft und Kunst stattfand. Gerade in der Kunst waren es die neuen Freiheiten die zahlreiche Stile und eine neue Vielfalt hervorriefen. Stilrichtungen wie Futurismus, Dadaismus oder Kubismus entstanden und auch die seit 1919 bestehende Bauhaus-Kultur mit ihrem modernen und sachlichen Architekturstil fand ihren Höhepunkt.

Wahlplakat der Bayerischen Volkspartei 1925

 
Auf politischer Ebene war die Labilität der Weimarer Republik weiterhin vorhanden und wurde schon bald erneut offengelegt als der amtierende Reichspräsident Friedrich Ebert, infolge einer verschleppten Blinddarmentzündung, am 28. Februar 1925 überraschend verstarb.
Die einberufene Reichspräsidentenwahl wurde für die Republik tragenden Parteien und ihrem Kandidaten Wilhelm Marx (Zentrum) zu einer neuerlichen Niederlage. Durchsetzen konnte sich hingegen der Kandidat der rechten und nationalistischen Kräfte Paul von Hindenburg, ein Generalfeldmarschall des 1. Weltkriegs. Auch wenn Hindenburg das Amt gemäß der Verfassung ausführen wollte, zeigte diese Wahl eindrucksvoll wie stark der Rechtsruck in der Weimarer Gesellschaft schon fortgeschritten war.

 
In den folgenden Jahren bis 1929 gab es sieben verschiedene Regierungskoalitionen, von denen nur drei überhaupt eine Mehrheit hatten. Diese Schwäche des Reichstags war alles andere als förderlich für den Glauben an die Demokratie und stärkte vor allem außerparlamentarische Organisationen wie den Wehrverband „Stahlhelm“, der sich selbst als Reserve, für das auf 100.000 Mann beschränkte Reichsheer, sah. Später gewann auch die Kampforganisation der NSDAP, die SA, an Bedeutung.
Die demokratischen Kräfte versuchten ab 1924 mit dem Wehrverband „Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold“ ein Gegengewicht zu schaffen, um die Straßen nicht allein den rechten und linken Kampfgruppen zu überlassen.

 
Einen lange schwelenden Konflikt der Weimarer Republik stellt auch die sogenannte Fürstenenteignung da, die 1926 ihren Höhepunkt fand. Ein erfolgreiches, vor allem von der KPD vorangetriebenes, Volksbegehren zur entschädigungslosen Enteignung der Fürsten im März des Jahres führte dazu, dass sich der Reichstag mit dem Gesetzentwurf beschäftigen musste. Da dieser eine bürgerliche Mehrheit in seinen Reihen hatte, wurde das Gesetz abgelehnt und ein Volksentscheid am 20. Juni musste entscheiden.
Aus Angst der Volksentscheid könnte erfolgreich sein, wurden die Hürden unter dem Druck Hindenburgs erhöht. So sollte nicht mehr die einfache Mehrheit aussreichen, sondern mindestens 50 % der gesamten Wahlberechtigten sollten mit „Ja“ stimmen, ein schier unmögliches Unterfangen. Begründet wurde dieser Schritt damit, dass man durch die Enteignung kein Wohl für die Allgemeinheit, sondern vielmehr eine Vermögenshinterziehung aus politischen Gründen, sah.

Plakat gegen die Abfindung der Fürsten. (Bundesarchiv, Bild 102-02427/ Unknown/CC-BY-SA 3.0)

 
In den Wochen und Monaten vor der Abstimmung kam es zu einem hässlichen Wahlkampf zwischen Befürwortern und Gegnern der Fürstenenteignung. Bei den Befürwordern des Volksbegehrens waren durchaus auch bürgerliche Kräfte, wie die Jugendorganisationen von Zentrum und DDP. Speziell die DDP (Deutsche Demokratische Partei) war in ihren eigenen Reihen in Befürworter und Gegner stark gespalten.
Viele Gegner der Enteignung sprachen davon, dass es den Befürwortern generell um die Abschaffung des Privateigentums ging und riefen zu einem Wahlboykott auf, was einer Nein-Stimme gleichkam. Auch wurden Kleinbauern mit der Behauptung verängstigt, dass auch sie ihr Land und Vieh verlieren würden. Teile der NSDAP drehten die Forderung gar um und wollten eine Enteignung der eingewanderten Ostjuden erwirken.

 
Als es schließlich am 20. Juni 1926 zur alles entscheidenden Wahl kam, konnten immerhin 15,6 Millionen Bürger, was ca. 40 % aller Wahlberechtigten bedeutete, mobilisiert werden. Obwohl von den Teilnehmern der Wahl fast alle für „Ja“ votierten, war der Volksentscheid aufgrund der Gesetzeslage gescheitert – Die nötigen 50 % Ja-Stimmen aller Wahlberechtigten konnten nicht erreicht werden.

 
Nachdem Deutschland aussenpolitisch eine Verständigung mit Frankreich und Russland erreichte, seine Stellung im Völkerbund sichern konnte und die Reichstagswahlen von 1928 eine Regierung mit Mehrheit hervorbrachte (Koalition aus fünf Parteien unter der Führung der SPD) hätte die Weimarer Republik eigentlich alle Voraussetzungen für eine weitere Stabilisierung gehabt. Allerdings sollte am Horizont bald ein weitere große Krise auftauchen, ausgelöste durch ein bis heute bekanntes Ereignis: Die Weltwirtschaftskrise.