Der Tonfilm erobert das Kino

Das Kino hatte während der 20er Jahre einen großen Stellenwert in der Weimarer Republik. Heutige Konkurrenz, wie Streaming, Fernsehen oder Internet gab es nicht und so war es gang und gäbe in seiner Freizeit ein Lichtspielhaus aufzusuchen. Mitte der 20er Jahre gingen in Deutschland täglich etwa 2.000.000 Menschen ins Kino, eine heute unvorstellbare Zahl, zumal die Einwohnerzahl damals geringer war.
Bis Ende der 20er Jahre war es jedoch völlig normal, dass nur tonlose Bilder, also so genannte Stummfilme, gezeigt wurden. Für die musikalische Begleitung sorgte meist ein Pianist im Kinosaal, während wichtige Dialoge per Zwischentitel eingeblendet wurden. Dies sollte sich schon bald ändern.

 
Der schwedische Filmpionier und Erfinder Sven Berglund zeigte bereits am 17.02.1921 in Stockholm einen Tonfilm mit Hilfe des Lichttonverfahren. Allerdings dauerte es von da an noch einige Jahre, ehe derTonfilm seinen Durchbruch erleben sollte. Denn Produktionsfirmen und Kinos konnten sich sowieso nur schwer mit der neuen Technik anfreunden, sahen sie doch immense Kosten auf sich zukommen und glaubten anfangs nicht an den Erfolg. Der schon mit Geräuschen und Musik versehene Film Don Juan von 1926 sollte ihnen anfangs auch recht geben, konnte er doch seine enormen Kosten nicht an den Kinokassen einspielen. Erst ein weiteres Jahr später sollte die Zeitenwende dann doch noch beginnen.





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Der Jazzsänger von 1927 verhalf dem Tonfilm in den USA zum Durchbruch

 
Am 6. Oktober 1927 startete mit „Der Jazzsänger“ in New York der erste Tonfilm mit Spielfilmqualität. Obwohl auch er noch Stummfilmpassagen mit Zwischentiteln enthielt, wurde er durch die vertonten Lieder ein großer Erfolg und verhalf dem Tonfilm, zumindest in den USA, zum Durchbruch.
In der Weimarer Republik sollte es noch einige Zeit dauern, bis auch dort der Tonfilm nicht mehr zu stoppen war und so war es im Januar 1929 der Film „Ich küsse Ihre Hand, Madame!“ mit Marlene Dietrich und Harry Liedtke der die Tonfilmära einleutete. Noch mehr als der Jazzsänger handelte es sich jedoch um einen Stummfilm mit Tonstücken. Nur ganze drei Minuten Gesang, wobei Harry Liedtkes Lippenbewegungen durch die Stimme des Opernsängers Richard Tauber syncronisiert wurden, enthielt der Streifen.
Aufzuhalten war das Format aber auch in Deutschland nicht mehr und so starteten 1929 noch weitere Tonfilme, nach einigem rechtlichen Hickhack schließlich auch der Jazzsänger am 26.11.1929.

Der Tonfilm vernichtete auch Existenzen und hatte daher nicht nur Freunde

 
Dennoch verlief die Umstellung auf den Tonfilm, der beim Publikum innerhalb von kurzer Zeit zum Renner wurde, alles andere als reibungslos und hatte auch viele Verlierer zu beklagen. Kulturpessimisten, Filmkritiker und auch zahlreiche Schauspieler warnten vor dem Tonfilm. Es wurde u.a. vor der Verflachung der Handlungen und vor Kitsch gewarnt. Charlie Chaplin sah z.B. die Kunst der Pantomime gefährdet und meinte daher:

 

„Die sogenannte Sprechfilmkunst will die unerhörte Schönheit des Schweigens zerstören. Und Schweigen ist das Wesen des Films.“

 
Ausserdem beendete der Tonfilm die Karriere zahlreicher Stummfilmstars, deren Stimme nicht für den Tonfilm geeignet waren. Einer davon war z.B. bereits oben genannter Harry Liedtkes, dessen Stimme beim Publikum kein Gefallen fand und dessen Karriere schlagartig dahin war. Andere, wie z.B. auch Charlie Chaplin, der erst 1940 seinen ersten Tonfilm drehte, blieben dagegen im Geschäft und neue Stars wie Marlene Dietrich hatten ihren Durchbruch.
Bitter war die Umstellung auch für zahlreiche Musiker, die ihr Geld damit verdienten die Stummfilme im Kino zu bgeleigten – Ihr Job wurde alsbald überflüssig.
Auch die Kinos selbst hatten es nicht einfach, musste doch viel Geld in die Hand genommen werden um in die neue Technik zu investieren. Als der Tonfilm startete waren viele Lichtspielhäuser weder von der Raumakustik noch von der Technik weit genug um mitzuhalten. Gerade in der Anfangsphase war es keine Seltenheit, dass man kaum ein gesprochenes Wort verstehen konnte und Probleme hatte den Dialogen zu folgen.
Ein Stoppen gab es trotzdem nicht mehr und auch die Technik wurde immer besser. Spätestens ab 1936 war die Zeit der Stummfilme endgültig vorbei und der Tonfilm hatte sich durchgesetzt.

 
In neuerer Zeit wurde der Stummfilm ab und an noch als Stilmittel eingesetzt, wie z.B. in dem 1999 gedrehten Film „Juha“ nach dem gleichnamigen Roman von 1911 oder in dem Oscar prämierten Meisterwerk „The Artist“ aus dem Jahr 2011. Die Schönheit des Schweigens, wie Charlie Chaplin es nannte, hat eben durchaus auch eine Daseinsberechtigung, spielt die Mimik doch eine deutlich größere Rolle als im Tonfilm. Missen will letzteren heute aber sicher keiner mehr.