Politisches System

Wer hatte die Macht?
Die Weimarer Republik gilt als erste Demokratie auf deutschem Boden. Wie die heutige Bundesrepublik war sie eigentlich eine parlamentarische Demokratie, jedoch hatte sie starke Instrumente, die es ermöglichten das Parlament zu umgehen: Zu nennen ist hier in erster Linie der Reichspräsident, der im Gegensatz zu heutigen Bundespräsidenten, direkt vom Volk gewählt wurde. Er konnte mit Hilfe der Notverordnung (Artikels 48 der Reichsverfassung) den Reichstag umgehen und praktisch alleine regieren. In der Weimarer Republik führte dies im Folge der Weltwirtschaftskrise dazu, dass sich die parlamentarische Demokratie mehr und mehr zu einer Präsidialdemokratie wandelte.

 
Wortlaut des Artikel 48:

(1) Wenn ein Land die ihm nach der Reichsverfassung oder den Reichsgesetzen obliegenden Pflichten nicht erfüllt, kann der Reichspräsident es dazu mit Hilfe der bewaffneten Macht anhalten.
(2) Der Reichspräsident kann, wenn im Deutschen Reich die öffentliche Sicherheit und Ordnung erheblich gestört oder gefährdet wird, die zur Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung nötigen Maßnahmen treffen, erforderlichenfalls mit Hilfe der bewaffneten Macht einschreiten. Zu diesem Zwecke darf er vorübergehend die in den Artikeln 114, 115, 117, 118, 123, 124 und 153 festgesetzten Grundrechte ganz oder zum Teil außer Kraft setzen.
(3) Von allen gemäß Abs. 1 oder Abs. 2 dieses Artikels getroffenen Maßnahmen hat der Reichspräsident unverzüglich dem Reichstag Kenntnis zu geben. Die Maßnahmen sind auf Verlangen des Reichstages außer Kraft zu setzen.
(4) Bei Gefahr im Verzuge kann die Landesregierung für ihr Gebiet einstweilige Maßnahmen der in Abs. 2 bezeichneten Art treffen. Die Maßnahmen sind auf Verlangen des Reichspräsidenten oder des Reichstages außer Kraft zu setzen.
(5) Das Nähere bestimmt ein Reichsgesetz.

Hugo Preuß, „Vater“ der Weimarer Verfassung

Wie entstand die Weimarer Verfassung?
Nach den Wahlen zur verfassungsgebenden Nationalversammlung vom 19. Januar 1919 trafen sich die gewählten Vertreter erstmals am 6. Februar 1919 in Weimar zur Schaffung einer neuen Verfassung. Berlin wurde gerade deshalb nicht als Ort gewählt, da aufgrund der zahlreichen Unruhen zu dieser Zeit, die Sicherheit der Abgeordneten stark gefährdet gewesen wäre.
Einer der Hauptverantwortlichen für die neue Verfassung war der linksliberale mitbegründer der Deutschen Demokratischen Partei (DDP) Hugo Preuß. Er hatte als überzeugter Demokrat bereits in den Kriegsjahren den Vorschlag zu einer neuen Verfassung vorgelegt und konnte nun viele seiner Ideen umsetzen.

 
Da der neue Verfassungsentwurf eine Zäsur gegenüber der Kaiserzeit darstellte, gab es heftige Diskussionen zwischen den politischen Lagern der Weimarer Republik. Der schließlich entstandene Kompromiss beinhaltete neben den zahlreichen demokratischen und sozialen Aspekten auch die bereits oben erwähnte starke Stellung des Präsidenten. Gerne wird der Reichspräsident daher auch als „Ersatzkaiser“ bezeichnet.
Angenommen wurde die neue Verfassung schließlich am 31. Juli 1919 von der Nationalversammlung. Die Ausfertigung erfolgte durch Reichspräsident Friedrich Ebert am 11. August – Dieser Tag wurde schlußendlich auch zum Nationalfeiertag der Weimarer Republik erklärt.

 
Was war neu an der Weimarer Verfassung?
Erstmals gab es in Deutschland eine parlamentarische Demokratie und in der Verfassung verankerte soziale Grundrechte. Der Reichstag wurde, analog zum heutigen Bundestag, auf vier Jahre gewählt, beschloss Gesetze und stellte den Haushaltsplan auf.
Eine Sonderstellung hatte jedoch, wie bereits oben erwähnt, der auf sieben Jahre vom Volk gewählte Reichspräsident, der u.a. auch den Reichskanzler und die Minister ernannte und entlassen konnte.

Auch im dritten Abschnitt der Verfassung „Religion und Religionsgesellschaften“ zeigte die Weimarer Republik eine moderne Seite: Mit einer verbrieften Glaubens- und Gewissensfreiheit wurde erstmals auf eine Staatskirche verzichtet und das lange geltente „landesherrliche Kirchenregiment“ abgeschafft.

Wahlplakat der BVP, die mit dem politischen Katholizismus eine der zahlreichen politischen Strömungen vertrat

 
Welche politischen Lager gab es?
Die Parteienlandschaft in der Weimarer Republik war äußerst ausgeprägt. Durch das Fehlen einer 5 % Hürde konnten auch kleinere Parteien Sitze im Reichstag erringen. Da dies eine Regierungsbildung zusätzlich erschwerte zog man mit Gründung der Bundesrepublik die Lehren daraus und führte die Sperrklausel ein.

 
Grundsätzlich zu unterscheiden waren die Parteien in Republikbefürworter und -gegner. Zu den Beführwortern zählten vor allem die drei großen Parteien SPD (Sozialdemokratische Partei Deutschlands), das bürgerliche Zentrum und die liberale DDP (Deutsche Demokratische Partei). Die Zentrumspartei war von 1919 bis 1932 durchgängig in der Regierungskoalition vertreten, meist mit der DDP und manchmal auch mit der SPD. Oft hatte die Regierungskoalition in der Weimarer Republik keine Mehrheit und musste sich von anderen Parteien tolerieren lassen z.B. von der rechten DNVP (Deutschnationale Volkspartei).
Zum rechten Parteienrand zählten neben der DNVP, auch die als rechtsliberal geltende DVP (Deutsche Volkspartei) und die NSDAP (Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei) unter Adolf Hitler. Letztere war es schließlich auch die den Untergang der Demokratie herbeiführte. Allerdings gab es auch vom linken Rand Feinde der Weimarer Republik, allen voran die KPD (Kommunistische Partei Deutschland), deren Ziel die Errichtung eines Kommunistischen Staates auf deutschem Boden war.
Daneben gab es noch zahlreiche weitere Parteien, wie z.B. die Bayerische Volkspartei, die einen politischen Katholizismus vertrat und bei den Bayerischen Landtagswahlen regelmäßig Ergebnisse zwischen 30 und 40 % einfahren konnte oder den Christlich-Sozialen Volksdienst, der im protestantisch-konservativen Spektrum zu finden war.