Die Ermordung von Walther Rathenau

Walther Rathenau wurde am 29. September 1867 in Berlin geboren. Als sein deutsch-jüdischer Vater Emil Rathenau in den 80er Jahren die Allgemeine Elektricitäts-Gesellschaft (AEG) gründete schien Walthers Lebensweg als Industrieller bereits vorbestimmt. Obwohl er Anfangs versuchte z.B. als Vizewachtmeister im Garde-Kürassier-Regiment einen anderen Weg einzuschlagen, landete er ab 1893 auch bei AEG, später sogar im Vorstand und Aufsichtsrat. In dieser Position setzte er sich während des ersten Weltkriegs für die Deportation von belgischen Zivilisten als Zwangsarbeiter ein.

Porträt von Walther Rathenau (Datum unbekannt)

 
Neben seiner Tätigkeit bei AEG war Rathenau bereits Ende des 19. Jahrhunderts auch als Schriftsteller aufgefallen. So erschienen bereits 1897 in der Wochenzeitschrift „Die Zukunft“ einige Aufsätze von ihm, die sich u.a. gegen den Wilhelminismus unter Kaiser Wilhelm II. oder gegen das moderne Judentum richteten. Später konnte er durch seine Freundschaft mit Gerhart Hauptmann sogar zwei Bücher (Zur Kritik der Zeit und Zur Mechanik des Geistes) veröffentlichen in denen er eine neuidealistische Weltanschauung darlegt.

 
Während des ersten Weltkrieges engagierte sich Walther Rathenau auch zunehmend politisch. Durch seine Empfehlung entstand die Kriegsrohstoffabteilung, die während des Krieges eine schwere Materialkrise in Deutschland verhinderte und der er selbst acht Monate angehörte, ehe er sich wieder allein um die Belange von AEG kümmerte. Interessant ist auch, dass Rathenau, obwohl er sich für die Fortführung des Krieges aussprach, später von Anhängern der Dolchstoßlegende angefeindet wurde. Ein Grund hierfür ist neben seinen noch folgenden politischen Tätigkeiten auch der aufkeimende Antisemitismus, dem er als Jude ausgesetzt war.





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Nach dem Krieg war Rathenau ein Mitbegründer der DDP (Deutschen Demokratischen Partei) die für einen politischen Liberalismus eintrat. Ausserdem kam er nach Gründung der Weimarer Republik in die sogenannte Sozialisierungskommission, eine Expertengruppe die sich mit der Sozialisierung der deutschen Wirtschaft nach dem Krieg befasste.
Unter Reichskanzler Joseph Wirth erhielt er im Mai 1921 als Wiederaufbauminister seinen ersten Ministerposten, den er jedoch nur ein halbes Jahr lang bekleidete. Dennoch gelang es ihm in dieser Zeit mit Frankreich das Wiesbadener Abkommen auszuhandeln, welches es erlaubte Teile der Reparationsforderungen mit Sachlieferungen zu bedienen. Von großen Bereichen der Industrie und aus konservativen Kreisen wurde das Abkommen als „Erfüllungspolitik“ dennoch kritisiert und das endgültige Zustandekommen dauerte noch bis Mitte 1922.

Titelblatt der antisemitischen Hetzschrift „Der Kandidat des Auslands“ gegen Walther Rathenau

 
Spätestens nach Rathenaus Aufstieg zum Aussenminister im Januar 1922, nahmen die Anfeindungen gegen ihn immer weiter zu. In rechten Kreisen galt er als „Kandidat des Auslandes“ und als Befehlsempfänger einer angeblichen jüdischen Weltverschwörung.
Dennoch konnte Rathenau noch am 16. April 1922 einen Erfolg als Aussenminister feiern, als er Deutschland mit Hilfe eines bilateralen Sondervertrags mit der Sowjetunion mehr Handlungsfreiheit verschaffte. Obwohl dieser Schritt auch von nationaler Seite begrüßt wurde, hatte die nationalistische und antisemitische Terrororganisation Consul zu diesem Zeitpunkt wahrscheinlich schon Mordpläne gegen Rathenau geschmiedet.

 
In der Nacht auf den 24. Juni 1922 saß Rathenau mit zwei amerikanischen Botschaftern zusammen, um über das weitere Vorgehen in der Reparationsfrage zu sprechen. Wohl aufgrund dessen fuhr er am nächsten Morgen erst sehr spät um 10:45, zusammen mit seinem Chauffeur, in Richtung Auswärtiges Amt los. Obwohl Rathenau zu dieser Zeit schon von Attentatswarnungen wusste fuhr er ohne Polizeischutz in seinem Kabriolett.
Kurz vor einer S-Kurve in der Berliner Königsallee wurde Rathenaus Auto von einem offenen Mercedes mit drei Insassen überholt. Danach ging alles sehr schnell: Der im Wagen sitzende Attentäter Erwin Kern feuerte mit einer Maschinenpistole auf Rathenau, während sein Kollege Hermann Fischer eine Handgranate warf. Danach verschwand, das vom dritten Attentäter Ernst Werner Techow gesteuerte, Fahrzeug über die Wallot- und die Herbertstraße. Walther Rathenau, der von mehreren Schüssen getroffen wurde, hatte keine Chance mehr und war innerhalb von wenigen Minuten Tod.

Sonderausgabe des „Vorwärts“ zur Ermordung von Walther Rathenau

 
Der Polizei gelang es relativ schnell den Zusammenhang mit der Terrororganisation Consul herzustellen und so wurden schon am nächsten Tag mehrere Festnahmen von Funktionären angeordnet. Nach einem ersten Geständnis folgten schon bald weitere Festnahmen, unter anderem die des Fahrers Ernst Werner Techow.
Als etwas komplizierter stellte sich die Suche nach den beiden ausführenden Attentätern Kern und Fischer da. Die beiten hatten auf einer Burg des Consul-Mitglieds Hans Wilhelm Stein ein Versteck gefunden und konnten erst am 17. Juli von zwei Kriminalbeamten gestellt werden. Während der folgenden Auseinandersetzung wurde Kern durch ein Turmfenster tödlich am Kopf getroffen, während Fischer Selbstmord begann.

 
Am 3. Oktober begann das Verfahren im Mordfall Walther Rathenau. Angeklagt waren insgesamt 13 Personen, wobei nur der Attentats-Fahrer Ernst Werner Techow eine Mordanklage am Hals hatte. Die restlichen Personen waren zur Beihilfe oder nur wegen Nichtanzeige eines geplanten Verbrechens vor Gericht.
Bei der Urteilsverkündung stellte das Gericht die Tat als Isoliert, und von junger unreifer Fanatiker durchgeführt, dar. Ein organisierter Komplott und der Bezug zur Organisation Consul kam nicht zur Sprache. Obwohl insgesamt 10 Personen verurteilt und mit Gefängnisstrafen im oberen Strafrahmen belegt wurden, kam Ernst Werner Techow um die Todesstrafe herum und wurde nur zur Beihilfe, mit 15 Jahren Zuchthaus, verurteilt – 1930 erhielt er eine frühzeitige Entlassung.

 
Der Mord an Walther Rathenau hatte große Nachwirkungen. Im Reichstag selbst kam es zu großen Tumulten, als die Nachricht des Todes bekannt wurde. Der Abgeordnete Karl Helfferich hatte Rathenau noch am Vortag für seine Erfüllungspolitik beschimpft und wurde nun seinerseits mit „Mörder“-Rufen belegt.
Auch auf der Straße gab es zahlreiche Trauerzüge und Kundgebungen. Das Hauptziel der Organisation Consul, einen Bürgerkrieg zu provozieren, konnte durch den Rathenau-Mord jedoch nicht erreicht werden – Ganz im Gegenteil führte der Mord in Folge eher zu einer Stärkung der Republik.

 
Nachdem das Andenken an Walther Rathenau unter den Nazis zeitweise ausgelöscht wurde, befindet sich seit 1946 an der Berliner Koenigsallee ein Gedenkstein für Rathenau. Ausserdem wurde sein Name als Würdigung mittlerweile für zahlreiche Plätze, Straßen, Schulen etc. vergeben. Sein Grab befindet sich auf dem Waldfriedhof in Oberschöneweide.